Blogheader GoBD Teil 3 Verfahrensdokumentation
Veröffentlicht am: 18. September 2025

GoBD für Onlinehändler – Verfahrensdokumentation: Pflichtprogramm mit Mehrwert

Im ersten Teil unserer Blogreihe haben wir die Grundlagen der GoBD vorgestellt, im zweiten Teil ging es um Buchführung, Belegablage und Archivierung. In diesem dritten Teil nehmen wir uns ein Thema vor, das viele Händler am liebsten ausblenden würden: die Verfahrensdokumentation. Klingt bürokratisch und trocken – ist aber unverzichtbar. Und: Wer sie pragmatisch aufsetzt, profitiert im Alltag sogar davon.

Warum die Verfahrensdokumentation Pflicht ist

Die GoBD schreiben vor, dass Eure Buchführung nachvollziehbar, unveränderbar und prüfbar sein muss. Genau das untersucht ein Betriebsprüfer – und dafür braucht er eine Art Bedienungsanleitung für Eure Systeme und Abläufe. Diese Bedienungsanleitung ist die Verfahrensdokumentation.

Sie beschreibt, wie steuerrelevante Daten in Eurem Unternehmen entstehen, verarbeitet, gespeichert und aufbewahrt werden. Außerdem muss daraus klar hervorgehen, wer Zugriff hat und welche Kontrollen Manipulationen verhindern. Ohne Verfahrensdokumentation kann ein Prüfer schlicht nicht beurteilen, ob Eure Buchführung ordnungsgemäß ist. Die Folge: Er kann sie verwerfen und Umsätze schätzen – fast immer zu Eurem Nachteil.

Junge Frau am Schreibtisch mit Laptop in Lagerraum

Wichtig: Die Pflicht gilt für alle steuerpflichtigen Unternehmen, also auch für kleine Händler, Freiberufler oder Ein-Personen-Shops. Wer digitale Prozesse nutzt – sei es Rechnungsversand per PDF oder eine Warenwirtschaft – muss eine Verfahrensdoku führen.

Was passiert, wenn sie fehlt?

Die Folgen einer nicht vorhandenen oder unzureichenden Verfahrensdokumentation sind gravierend:

  • Formelle Mängel: Eure Buchführung gilt als nicht ordnungsgemäß.
  • Hinzuschätzungen: Das Finanzamt schätzt Eure Umsätze oder Gewinne – und legt sie dabei selten zu Eurem Vorteil aus.
  • Steuernachzahlungen & Zinsen: Selbst kleine Lücken können hohe Nachforderungen nach sich ziehen.
  • Bußgelder oder Strafverfahren: In schweren Fällen droht sogar ein steuerstrafrechtliches Verfahren.
  • Mehr Aufwand in der Prüfung: Ohne Doku zieht sich eine Betriebsprüfung in die Länge, zusätzliche Unterlagen werden angefordert, und es entsteht unnötiger Stress.

Kurz gesagt: Wer keine Verfahrensdokumentation hat, geht in eine Prüfung unvorbereitet – und riskiert empfindliche Nachteile.

Mehr als nur Pflicht – echte Vorteile

Auch wenn es nach einer eher lästiger Pflicht klingt, hat eine gute Verfahrensdokumentation Vorteile im Alltag:

  • Struktur & Klarheit: Ihr seht schwarz auf weiß, wie Eure Prozesse laufen – und wo es hakt.
  • Einfacheres Onboarding: Neue Mitarbeiter finden schneller rein.
  • Sicherheit im Ernstfall: Im Streit mit dem Finanzamt habt Ihr Eure Abläufe dokumentiert und könnt jederzeit nachweisen, wie Ihr arbeitet.
  • Weniger Chaos: Durch die Beschreibung der Abläufe werdet Ihr automatisch gezwungen, Prozesse zu ordnen und Doppelarbeit zu vermeiden.

Was in die Verfahrensdokumentation gehört

Die GoBD geben keinen fixen Aufbau vor, aber es haben sich bestimmte Kapitel etabliert, die jeder Prüfer erwartet. Für Onlinehändler besonders relevant sind:

  1. Allgemeine Unternehmens- und Systembeschreibung
    Stellt Euer Unternehmen kurz vor: Name, Rechtsform, Ansprechpartner. Ergänzt eine Übersicht der Organisation (Abteilungen, Verantwortlichkeiten) und beschreibt Eure Systemlandschaft: Shopsystem, Warenwirtschaft (z.B. JTL-Wawi), Marktplätze, Payment-Provider, DMS/Archivsystem, Buchhaltungssoftware.
  2. Anwenderdokumentation
    Beschreibt, wie im Alltag gearbeitet wird:

    – Wie läuft die Freigabe einer Eingangsrechnung?
    – Wer darf Belege archivieren oder löschen?
    – Welche Arbeitsschritte sind automatisiert, welche manuell?

    Ziel ist hier, dass ein außenstehender Dritter ohne Rückfragen verstehen muss, wie Eure Abläufe funktionieren.
  3. Technische Systemdokumentation
    Hier geht es um Hard- und Software, Versionen, Schnittstellen und Speicherorte. Auch Backups, Wiederherstellungsroutinen und Archivformate gehören dazu. Besonders wichtig: Wie stellt Ihr sicher, dass Daten unveränderbar sind?
  4. Kontrollen & Berechtigungen
    Erläutert Eure Zugriffskonzepte: Wer darf was? Gibt es ein Vier-Augen-Prinzip bei bestimmten Prozessen? Werden Änderungen protokolliert?
  5. Prozesse steuerrelevanter Daten
    Zeigt den kompletten Belegfluss: von der Bestellung im Shop über die Rechnung bis zur Retoure. Auch E-Mails mit steuerlichem Bezug, Kassen- oder Bankdaten sowie das ersetzende Scannen von Papierbelegen gehören dazu.
  6. Änderungen & Versionierung
    Die Doku ist ein lebendes Dokument. Jede Änderung (z.B. Systemwechsel, neue Prozesse) muss mit Datum, Grund und Verantwortlichem vermerkt werden. Alte Versionen müssen aufbewahrt werden.
  7. Zuständigkeiten & externe Dienstleister
    Wer ist verantwortlich für die Pflege? Welche externen Partner (Cloud-Anbieter, Steuerberater) sind eingebunden? Gibt es Notfallpläne bei Systemausfällen oder Datenverlust?

Praxisbeispiel: Retoure im Onlinehandel

Eine Kundin bestellt drei Artikel in Eurem Shop. Ein Produkt passt nicht und wird retourniert.

Bestellung & Rechnung: Werden im Shopsystem übernommen und automatisch in die Warenwirtschaft übernommen.
Retoure & Gutschrift: Der Retoureneingang in der Warenwirtschaft erfasst, eine Gutschrift wird erzeugt und archiviert.
Archivierung: Alle Belege (Bestellung, Rechnung, Retoure, Gutschrift) werden revisionssicher im DMS gespeichert.
Verknüpfung: Ein Prüfer kann den Vorgang lückenlos nachvollziehen – vom Auftrag bis zur Rückzahlung.

Genau solche Abläufe müssen in der Verfahrensdokumentation beschrieben werden.

So fangt Ihr pragmatisch an

Viele Händler zögern, weil sie denken, die Verfahrensdokumentation sei ein dicker Ordner voller Paragrafen. In Wahrheit reicht es, wenn Ihr verständlich und aktuell dokumentiert. Zum Start genügt:

  1. Eine Liste aller Systeme, die steuerlich relevante Daten erzeugen.
  2. Ein Diagramm des Belegflusses (Bestellung → Rechnung → Retoure).
  3. Eine Übersicht der Rollen und Rechte im Unternehmen.
  4. Ein Änderungslog, in dem Ihr Anpassungen dokumentiert.

Damit erfüllt Ihr bereits die wichtigsten Anforderungen. Später könnt Ihr die Doku nach und nach verfeinern.

Checkliste für Eure Verfahrensdoku

  • Unternehmensprofil & Systemlandschaft erfasst
  • Prozesse und Belegflüsse beschrieben
  • Rollen & Berechtigungen dokumentiert
  • Archivierung & Unveränderbarkeit erklärt
  • Änderungen & Versionen nachvollziehbar festgehalten
  • Zuständigkeiten benannt und externe Partner aufgeführt

Fazit

Die Verfahrensdokumentation ist kein Selbstzweck. Sie ist die Grundlage dafür, dass Eure Buchführung prüfbar, nachvollziehbar und rechtssicher ist. Wer sie ignoriert, riskiert Steuernachzahlungen, Bußgelder und schlaflose Nächte. Wer sie dagegen pragmatisch aufsetzt, profitiert doppelt: weniger Risiko – und mehr Ordnung im eigenen Haus.


Verfahrensdokumentation von JTL

Viele Software-Anbieter stellen Verfahrensdokumentationen zu ihren Lösungen bereit. Die Verfahrensdokumentationen zu Eurer genutzten Software legt ihr ebenfalls als Bestandteil Eurer Verfahrensdokumentation ab. Die Verfahrensdokumentation von JTL findet ihr im JTL-Guide als PDF zum Download:

Dokumentiert in Eurer Verfahrensdokumentation, welche Version von JTL-Wawi ihr in welchem Zeitraum genutzt habt, und speichert die passende Version der Verfahrensdokumentation dazu ab. Da die Dokumentation von Updates im Arbeitsalltag oft vergessen wird, werden Updates ab JTL-Wawi 1.10 in der Datenbank gelogged. Euer IT-Admin oder Servicepartner kann Euch dabei helfen, diese Daten aus der DB auszulesen.

Veröffentlicht am:
18. September 2025
Kategorie
Wissenswertes